Leerstand oder Phantom? Die – durchaus diskutierte – Zahl von 230.000 leerstehenden Wohnungen in Österreich
- ronaldgoigitzer6
- Oct 20
- 2 min read
Dass in Österreich angeblich 230.000 Wohnungen leerstehen, ist immer wieder ein Fokus der öffentlichen Debatte. Diese Zahl stützt sich dabei auf eine Greenpeace-Berechnung, der zufolge man unter konservativen Annahmen auf jenen Bestand komme, der prinzipiell für eine Leerstandsabgabe in Betracht gezogen werden könnte.
Doch schon beim Blick hinter die Zahl offenbart sich: Leerstand ist kein homogenes Phänomen, und die bloße Quantifizierung ist – zumindest derzeit – mit beträchtlicher Unsicherheit behaftet.
Woher kommt diese Zahl – und was steckt dahinter?
Die Ausgangszahl basiert auf der üblichen Gegenüberstellung von Wohnungsbestand und gemeldeten Wohnsitzen, wobei ungenutzte Einheiten identifiziert werden. Doch, und darin liegt das Kernproblem:
Die Statistik Austria weist selbst darauf hin, dass diese Methode keineswegs ausschließlich klassischen Leerstand abbildet – auch Wohnungen zwischen zwei Mietverhältnissen, Ferienwohnungen, Wohnungen mit vorübergehendem Leerstand u. ä. sind eingeschlossen.
Greenpeace kombiniert diese Daten mit Zusatzstudien (etwa aus Vorarlberg und der Arbeiterkammer) und landet auf einem „konservativen“ Leerstandskern von rund 230.000 Wohnungen, was einer Fläche von etwa 17,4 Mio. m² Wohnfläche entspricht.
Interessant ist auch der regionale Blick: Laut der NGO-Berechnung weist Kärnten mit 5,7 %, Tirol mit 5,6 % und Niederösterreich mit 5 % die höchsten Leerstandsquoten auf. In Wien soll die Quote nur bei etwa 3,4 % liegen – relativ moderat im gesamtstaatlichen Vergleich.
Grundsätzlich also: Die Zahl von 230.000 ist keine exakte Messung, sondern ein Plausibilitätsrahmen, der zeigt, dass man vorhandene Immobilienpotenziale ernster diskutieren sollte.
Ist Leerstand nicht auch normal?
Ein Teil des Leerstands ist ganz natürlich. Fast 10% aller Bewohner des Landes siedeln jedes Jahr um. Das entspricht alleine in etwa 340.000 Wohnungen, die irgendwie vor dem Einzug leerstehen müssen. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Vermarktungszeit von vorsichtigen 4 Monaten ergibt sich daraus ein „natürlicher“ Leerstand von rund 113.000 Wohnungen.
Herausforderungen: Warum Umwandlung und Nutzung nicht trivial sind
Als Immobilienexperte sehe ich drei zentrale Schwierigkeiten, die oft vernachlässigt werden:
Die Eigentümerstruktur und Anreize
Einige Einheiten gehören Privatpersonen, manche Genossenschaften, manche Immobiliengesellschaften. Nicht alle Eigentümer sind bereit oder finanziell in der Lage, Umnutzungen, Renovierungen oder Neuvermietung kurzfristig umzusetzen.
Baulicher Zustand, Sanierungskosten, rechtliche Hürden
Manche leerstehenden Wohnungen sind in so schlechtem Zustand oder durch Altlasten, Denkmalschutzvorgaben, Haustechnik oder Energieeffizienzprobleme blockiert, dass sich eine Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht (sofort) rentiert.
Marktdynamik, Standort, Nachfrageausrichtung
Nicht jede Wohnung liegt im gefragten Umfeld – sei es hinsichtlich Erreichbarkeit, Infrastruktur, Umfeldqualität oder Mietlimits. Manche Einheiten sind zu klein, ungünstig geschnitten oder schlecht angebunden, sodass die Vermarktung schwierig ist.
Deshalb ist eine Leerstandsabgabe weder der effizienteste noch der gerechteste Ansatz. Ganz abgesehen davon, dass die Ermittlung einer solchen meist sehr viel Aufwand erfordert und fast immer nicht den gewünschten Lenkungseffekt erzielt.
Anstelle von starren Abgaben sollten wir auf Anreize, Transparenz, Flexibilität und Kooperation setzen.


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